Was haben Flechten mit Demokratie und Kunst zu tun? Eine ganze Menge! Wie Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Kunstprojekts diese Verbindung ergründeten, durften zahlreiche begeisterte Besucher am Samstagnachmittag im Schiesslhaus AiR in Kollnburg beim Festival „Open Space der Demokratie“ (wir berichteten) erleben.
Die Kunstklasse (8. Jahrgangsstufe) tauchte in den letzten Wochen gemeinsam mit der Künstlerin Inti Gallardo und Britta Wahlers in einen besonderen künstlerischen Entstehungsprozess ein, dessen Ergebnis sie am Samstag stolz präsentierten. In der heimeligen Atmosphäre des alten Bauernhauses zauberten die Achtklässlerinnen Paulina Mandl, Anna Schmelmer und Johanna Becher eine Live-Performance. Mithilfe eines Overhead- und eines Diaprojektors bespielten sie eine weiße Wand, auf der sich nach und nach ein Kunstwerk entfaltete.
Getrocknetes Material aus dem Wald wie Flechten, Äste oder Insekten wurden mit farbiger Tinte beträufelt, darüber schoben sich Diabilder. „Wir haben getrocknete Flechten in die Rahmen eingelegt“, erklärten die Mädchen auf neugierige Nachfragen im Anschluss an die Vorführung. Texte zum Wesen der Flechte und stimmungsvolle Musik gingen eine Symbiose mit der Entstehung des Wandbildes ein. Darin erklärten die Schüler etwa, dass Flechten eine Lebensgemeinschaft von Pilzen und Algen sind, die nur im Miteinander existieren können. Die Zusammenarbeit der Organismen ist eine der Wesenheiten, die die Künstler auch im Wesen der Demokratie gefunden haben.
Weiter ging es mit der Präsentation eines Super 8 Films, der die Zuschauer tiefer in den kreativen Prozess führte. Den Künstlerinnen war die Verbindung zwischen alter und hochmoderner Technik ein Anliegen, das die Gruppe begeisterte. „Für mich war das Highlight mit Tinte auf ein so schmales Super 8 Filmband zu zeichnen“, gab ein Mädchen Einblicke in die Arbeit. Andere waren von der Arbeit mit einer 3D-Foto-App besonders begeistert. Wahlers und Galardo betonten, wie stolz sie auf die „großartigen Künstler“ sind, die sich auf diese experimentelle Reise eingelassen hatten.
Projekte als Stimmen der offenen Gesellschaft
Vor der Präsentation standen mehrere Reden auf dem Programm. Projektleiterin Anna Helena Klumpen hieß die Gäste willkommen und dankte den vielen Mitwirkenden.
Stellvertretender Landrat Helmut Plenk betonte die Bedeutung des gesamten Projekts, das sich im Rahmen des Bundesprogramms Aller.Land derzeit in der Erprobungsphase befindet: „Im Landkreis schauen jetzt alle gebannt auf Frauenau, Viechtach und Kollnburg.“ Herbert Preuß, Bürgermeister der Gemeinde Kollnburg sieht in „Kunst und Demokratie im Bayerischen Wald“ ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie man demokratische Werte nicht nur fördern, sondern aktiv leben kann. Er sehe es als Pflicht, Räume dafür zu schaffen und zu schützen – gerade in Zeiten, in denen sich viele Fragen zur Zukunft unserer Gesellschaft stellen. „Die erarbeiteten Projekte sind mehr als Kunstwerke – sie sind Stimmen für eine vielfältige und offene Gesellschaft“, zog Preuß sein Fazit. Für Sigrid Kick ist Demokratie kein theoretisches Konstrukt, sondern eine Lebenseinstellung. Dazu braucht es etwa auch die Erfahrung miteinander etwas innovativ bewegen zu können, weswegen ihr die Beteiligung junger Menschen ein zentrales Anliegen ist. Für das Projekt „Kunst und Demokratie im Bayerischen Wald“ hoffen alle Beteiligten, dass nach einer erfolgreichen Erprobungsphase im kommenden Jahr die Umsetzungsphase folgen wird.
Flechten als demokratische Vorbilder
Als Vertreterinnen der Kunstklasse sprachen Emilia Achatz und Mayer Emily und berichteten, wie sie sich dem Begriff Demokratie angenähert und die Verbindung zu Flechten hergestellt hatten. In Bezug auf die nötige Zusammenarbeit innerhalb einer Gemeinschaft von Lebewesen bracht es Emily auf den Punkt: „Wenn Flechten das schaffen, dann können wir das auch!“
Bettina Wensauer