BISS KURZ VOR MITTERNACHT

Entfesselte Vampire auf der Bühne des Gymnasiums

Für die Zeit der hellen Sommernächte hat das Viechtacher Gymnasium einen besonderen Nervenkitzel geboten: Die Theatergruppe um Sabine Wittenzellner brachte an zwei Abenden, wie angekündigt, eine Variante des weltberühmten Polanski-Films „Tanz der Vampire“ auf die Bühne.

Blutrünstig, aber nicht ganz ernst gemeint, schwungvoll und gar nicht blutleer ging es zu, als die Schüler der Mittel- und Oberstufe die Vampir-Geschichte in der Bearbeitung ihrer Lehrerin tänzerisch in Szene setzten, musikalisch umrahmt und begleitet von Orchester und Chor um Michael Pollwein. Immer wieder unterbrachen am Donnerstag (die Freitagsvorstellung fand nach Redaktionsschluss statt) die begeisterten Zuschauer in der bis zu den Galerien hinauf gefüllten Aula mit spontanem Szenenapplaus und Bravo-Pfiffen das Tanz-und Singspiel.

Die Geschichte ging schon makaber los: In den ausgelassenen Bauerntanz einer Gaststube im fernen Transsylvanien wird ein (fast) steif gefrorener Professor hereingetragen, der sich auf der Suche nach Graf Krolocks geheimnisumwittertem Schloss im Schneegebirge verirrt hat, sich allerdings schnell wieder erholt. Auch seinem Assistenten Alfred gefällt es bald in der Wirtsstube angesichts der hübschen Tanzmädchen und der reizenden Wirtstochter Sarah, in die er sich natürlich unsterblich verliebt.

Dass die Geschichte nicht reibungslos verläuft, versteht sich. Immerhin lebt ja nicht weit der Vampir-Graf Krolock, der ebenfalls ein Auge auf die schöne Sarah (Anna Hies, Q11) geworfen hat. Und da es sich hier um Schultheater mit einer Spielleiterin handelt, die auch Literatur lehrt und Hobby- Choreografin ist, wurde das Geschehen auf allen Darstellungsebenen gespielt, die eine Schule zu bieten hat: Das Tagebuch des herrlich vergeistigt mümmelnden, aber doch schlauen Professors Abronsius (Urs Auer, Q11) war als Funddokument auf Großleinwand zu lesen, die Suche seines Assistenten (Markus Reisinger, Q11) im Winterwald nach seinem vom „Kältetod“ bedrohten Chef konnte man als heitere Videoreportage (aus dem winterlichen Schlatzendorfer Wald) erleben. Sabine Wittenzellner setzte viel Tanz, aber auch Werbeclips, Slapstick, Pantomime und mehrfach Schattenspiel ein, etwa wenn Sarah im Bad von Alfred überrascht und später in ihrer Kammer vom Vampir-Grafen in sein Reich verführt wird.

An dieser Stelle gelangen den Schülern auch anrührende Momente: Der schwermütige Graf Krolock (Tobias Kißlinger, Q11, hier in für ihn ungewöhnlicher Melancholie) leidet als Vampir unter seinem Dasein als Herr der Nacht, verflucht angesichts seiner Liebe zur Wirtstochter sein Schicksal, als ewig Untoter existieren zu müssen. Vor der Schattenwand der Aula-Bühne und hinter ihr agierend, lebt die Hauptfigur des Dramas ein Leben zwischen zwei Gefühlswelten, getrieben von „unstillbarer Gier“ auf der einen Seite, so der Titel eines seiner Songs, und stummer Verzweiflung auf der anderen.

Die für die hiesige Aufführung bearbeitete Version des Dracula-Stoffes war durch die temperamentvollen choreografischen Elementen der Tanz-AG und der jüngeren AG „Tänzchen“ geprägt, aber ebenso vom Gesang des Schulchors und der Solisten (Isabella Pany, Frank Feuerecker, Chiara Wohlmann, Andreas Preuß) sowie der musikalischen Gestaltung durch das Orchester mit seiner breiten Palette an Instrumenten.

Erstaunliches leisteten am Donnerstag und Freitagabend auch die Techniker um Michael Schmelmer und die Requisiteure: In den Umbau-Pausen, die Michael Pollwein am Klavier überspielte, verwandelte sich die Bauernstube in den prächtig-schaurigen Tanzsaal des Vampir-Schlosses, wo der rätselhaft-dunkle Graf in elegante Roben gekleidete Hofdamen aus riesigen Bilderrahmen steigen ließ und zum mitternächtlichen Tanz aufforderte.

Dann wieder war die Bühne Schauplatz der Jüngerinnen Amors, die mit ihren Pfeilen auf das Liebespaar Alfred und Sarah zielten, oder Spielwiese der dunkeln Vampir-Geister. So setzte Sabine Wittenzellner große Gefühle geschickt in Allegorien um, ließ Liebesschmachten in einfühlsam choreographierten Tanzszenen oder die Verzweiflung des Vampir-Grafen in pantomimischem Wüten zu Playback-Elementen sichtbar werden.

Am Ende siegte an diesen zwei hervorragend inszenierten Theaterabenden selbstverständlich die Liebe, wenngleich alle Figuren als Vampire endeten. Die mit viel Applaus bedachten Akteure des Dominicus-von-Linprun-Schultheaters sind nach den langen Wochen mit Proben ab dem Wochenende nun wieder zurück in der realen Welt, das transsylvanische Blutsaugen hat ein Ende und es winken wieder bekömmlichere Getränke, vor allem aber bald die großen Ferien!