Gestern begann am Gymnasium das Abitur?62 Kollegiaten streben das Reifezeugnis an


Von Christoph Heiduk


Viechtach. ?Und segne, was du uns beschert hast!? Diese Worte mögen so manchen Gymnasiasten durch den Kopf geschossen sein, als sie gestern Morgen in der Mensa von Schulleiter Wolfgang Sangl aufmunternd angelächelt wurden.

Doch nicht lukullische Häppchen standen ? wie sonst an diesem Ort ? auf dem Programm, sondern geistige Früchte langjähriger Schullaufbahnen. Denn die 62 Kollegiaten, darunter 27 junge Damen, stellten sich der ersten Runde des Abiturs 2008. Am gestrigen Freitag waren es die schriftlichen Prüfungen im dritten Abiturfach, in den nächsten Wochen stehen die Arbeiten in den Leistungskursen und nach Pfingsten die mündliche Prüfung im vierten Abiturfach an.

Die schriftlichen Aufgaben sind in Bayern alle gleich und kommen in versiegelten Umschlägen an die Schule. So waren die betreuenden Kursleiter nicht weniger gespannt als die Prüfungskandidaten, als die Kuverts geöffnet wurden.

Fünf Kollegiaten hatten sich das Fach Deutsch als drittes Abiturfach gewählt, zehn Englisch, sieben Biologie, sieben Geografie, sechs Chemie, acht Physik und neunzehn Mathematik.

Und was sollten die Abiturienten heuer wissen? Die Themen aus der Geografie beschäftigen sich mit der Natur und Wirtschaft in peripheren Räumen Europas, darunter Rhodos und dem rumänischen Konstanza, oder der Wirtschaft der Bevölkerung in Kalifornien im Vergleich zu Washington oder dem subsaharischen Afrika oder Vietnam. Zwei dieser vier Themen musste der Prüfling nach eigener Wahl bearbeiten. Das Verständnis von Klimakurven, Säulendiagrammen, Prozentaufstellungen, Bevölkerungspyramiden und Karten zählten auch diesmal zum Los der Geographen.

Die Mathematikprüflinge kümmerten sich um Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu einer neu eingeführten Biolimonade in vier Geschmacksvarianten. Sie testeten unter anderem den Erfolg von Werbekampagnen, darunter die maximale Wahrscheinlichkeit für unnötige Verteilung von Getränkeproben, und ermittelten die Personenzahl mit dem aparten Dattelgeschmack. Ferner untersuchten sie im Thema Infinitesimalrechnung die Selbstreinigungskräfte eines Sees nach der Einleitung von Abwasser.

Im Fach Deutsch konnte Friedrich Schillers Ausspruch ?Betrug ist überall!? im Drama Wallensteiner erörtert werden ? und zwar anhand von Beispielen aus der Literatur, nicht anhand von praktischen Übungen während der Prüfung. Andere entschieden sich für die Gedichtsinterpretation von Bertholt Brechts ?Ballade von den Cortez Leuten?, also einem Thema aus der Eroberungszeit des Aztekenreichs, oder untersuchten mit dem ?Selbstmördern und das Nichts? einem Auszug aus Botho Strauß? Drama ?Sieben Türen ? Bagatellen?.

Die Physiker wandelten unter anderem auf kriminalistischen Spuren. Sie errechneten am Spektakulärem Beispiel des poloniumverseuchten russischen Ex-Agenten Alexander Litvinenko, dass schon ein Bruchteil der ins Essen gemischten Dosis zum sicheren Tod geführt hätte. Außerdem sollten sie begründen, warum das Hantieren mit Polonium für die Mörder recht ungefährlich war. Zuletzt galt es, die im Zeitungsartikel genannten Zahlangaben auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Die Englisch-Prüflinge konnten sich an Cartoons mehr oder weniger erfreuen, dann sich Textauszügen aus der New-York-Trilogie des Autors Paul Auster widmen oder einem Text über Klassenunterschiede und Aufstiegsmöglichkeiten in den USA. Als historisches Beispiel über die Verwirklichung des amerikanischen Traums wurde auf das 15. Kind eines armseligen Kerzen- und Seifenmachers verwiesen, nämlich Benjamin Franklin, der sich mit 42 Jahren zur Ruhe setzte. Dieses Beispiel von Erfolg und beruflichen Vorrankommens sollte Hoffnung geben, nicht nur für die nächsten Abiturprüfungen.