Provokante und aktuelle Themen bei den Abiturprüfungen im 3.Fach
Fast ein bisschen neidisch auf ihre Bildung mochte man werden, wenn man die Abiturienten am Ende des langen Freitagvormittags erschöpft, aber erleichtert aus der Mehrzweckhalle des Sportzentrums in die Sonne treten sah und nach ihren Themen befragte. Wie weit gefächert war doch ihr Wissen: Die Bandbreite der Aufgabenstellungen reichte auch heuer über alle Bereiche der Wissenschaft hinweg und bot höchst interessante Fragen. Denn am zweiten Tag der schriftlichen Reifeprüfung waren die Fächer auf dem Programm, die die Gymnasiasten neben dem verpflichtenden Deutsch und der Mathematik als drittes Gebiet gewählt hatten.
Die Sprachbegabten hatten sowohl in Englisch wie in Französisch am Morgen zuerst aktuelle Radiosendungen und Interviews angehört und beweisen müssen, dass sie auch schnelle und komplizierte Diskussionen in der Fremdsprache genau verstehen. Im schriftlichen Teil waren aktuelle Themen zu erörtern wie: Soll der Muttertag abgeschafft werden? Wie lebt es sich in gemischtsprachigen Elternhäusern und zwischen den Kulturen? Für die Literaturfreaks unter ihnen standen in beiden Sprachen moderne Romantexte zur Wahl.
Hochinteressant auch die Themen in den Naturwissenschaften: Passend zur Jahreszeit untersuchten die Chemiker zum Beispiel die Wirkstoffe von Hustensaft, die Biologen widmeten sich den Bienen und ihrer Zuckerverarbeitung, während die Wirtschaftler sich brisanter Themen wie der Niedrigzinspolitik der europäischen Zentralbank annahmen oder sich im juristischen Teil ihrer Aufgaben um Verbraucher kümmerten, denen schadhafte Handys geliefert worden waren. Aufwändige farbige Satellitenfotos vom Dreiländereck zwischen Argentinien, Brasilien und Paraguay mit den weltberühmten Iguazú-Wasserfällen forderten von den Geographen sachkundige Analysen über die Veränderungen vor Ort in den letzten 30 Jahren, wahlweise waren anhand von Tabellen und Grafiken Strukturveränderungen in Ägypten und Katar zu beschreiben. Wer in Physik angetreten war, konnte auf Schatzsuche gehen und die Wirkungsweise von Metalldetektoren im Erdboden analysieren oder die radioaktive Belastung von Wildschweinfleisch mit der Strahlung in der Natur vergleichen.
Im weiteren Sinn mit Naturwissenschaft zu tun hatten auch einige Themen im Fach Katholische Religion: Dort mussten die Schüler ethische Herausforderungen unserer Zeit wie etwa in der Embryonenforschung diskutieren – andere konnten sich mit dem katholischen Eheverständnis auseinandersetzen, während ihre Kameraden aus der Historiker-Zunft Aspekte der Demokratie mit der Diktatur verglichen.
In allen Fächern gab es viele weitere Problemstellungen und eine Fülle von Teilaufgaben zu bearbeiten, die die Fachlehrer zwar als machbar, aber durchaus anspruchsvoll bezeichneten. So war es, interessante Themen hin oder her, nicht verwunderlich die Abiturienten nach vier Stunden höchster Konzentration am Ende erschöpft, aber glücklich zu sehen.
Nach Geheimtipps, Glücksbringern oder Erfolgsrezepten befragt, winken die meisten ab: „Wegen dem Abi an Regentanz aufführen bringt ja net viel!“, lacht Franziska. Diese jungen Gymnasiasten gehen ihre Examina recht gelassen an, wie andere Schulaufgaben auch. Die meisten haben während der Unterrichtszeit regelmäßig mitgearbeitet und vor den Prüfungen lediglich ihren Stoff wiederholt. „Den Abend nett mit der Freundin verbringen, ein bisschen Fernsehen“ war alles, was Simon am Vorabend zur Ablenkung brauchte.
Dass trotzdem auf den langen Bankreihen in der Sporthalle Plüschtiere, Medaillons und kleine persönliche Dinge zu sehen waren, versteht sich. Daneben Getränkeflaschen und von Zuhause liebevoll zubereitete Brotzeit samt Energieriegeln. Eine Schülerin hat sich sogar „a Schweiner’s“ zur Stärkung mitgebracht.
Denn Kraft braucht man doch zu dieser Reifeprüfung, die den Schülern alles an Wissen und geistiger Leistungsfähigkeit abverlangt, zumal in diesem Jahr die Prüfungen terminlich sehr dicht gedrängt sind und keine Erholungsphasen zwischen den Prüfungen erlauben: Am Dienstag steht schon das für alle obligatorische Mathematik-Abitur auf dem Plan und bereits eine Woche später beginnen die mündlichen Prüfungen – dann ist der stressige „Wonnemonat“ Mai für die Gymnasiasten ausgestanden.
(Franz Würzner)