Im Rahmen des durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderten Projekts Meet a Jew waren zwei Jüdinnen im Religionsunterricht der 9. Klassen digital zu Gast. Die Idee des Projekts ist es, das Leben von Jüdinnen und Juden sichtbar zu machen und kennenlernen zu können. Dahinter steht die Überzeugung, dass viele Schulstunden allein nicht leisten können, was eine persönliche Begegnung bewirkt: Wer Jüdinnen und Juden kennenlernen konnte, ist weniger anfällig für Vorurteile, entdeckt selbst die Gemeinsamkeiten, die uns verbinden und die Unterschiede, die den Austausch und das Miteinander bereichern können und erfährt, worauf es ankommt, wenn Probleme gelöst und Zukunft lebenswert und verantwortungsvoll gestaltet werden sollen.

Die zwei Jüdinnen Elisabeth und Eleonora hätten verschiedener nicht sein können und gaben je ganz unterschiedliche Einblicke in das vielfältige Judentum:

Elisabeth lebt mit ihrem Ehemann, der selbst Christ ist, hier in der Region, berichtet, dass sich ihr Alltag nicht merklich von unserem unterscheidet und sie Speisegebote und andere Vorschriften nicht so streng einhält, sondern vielmehr versucht, diese so gut es eben geht in ihren Alltag zu integrieren. Sie zeigt und beschreibt einige Gegenstände wie etwa die Mesusa oder einen neunarmigen Leuchter, die Ausdruck ihrer jüdischen Identität sind.

Bei der Frage einer SchĂĽlerin, was ihr liebstes Fest sei, kann sie sich nicht entscheiden und schildert einige jĂĽdische Feste mit ansteckender Begeisterung.

Eleonora ist der Klasse aus London zugeschaltet und überrascht die Schülerinnen und Schüler mit ihrer spannenden Biographie und ihrem streng orthodoxen Lebenszeugnis. Sie berichtet von ihrem Übertritt zum Judentum mit 25 Jahren als Tochter eines jüdischen Vaters und einer nicht-jüdischen Mutter; davon, was es für sie und ihre Familie bedeutet, sich an die Vorschriften und Gebote des Judentums zu halten. So erklärt sie, dass sie koscher kocht, dass die Klasse nicht ihre echten Haare sieht, da sie in der Öffentlichkeit eine Perücke trägt und noch weitere Kleidungsvorschriften beachtet, was für sie Sabbat – ein ganz besonderer Tag ohne Arbeit, ohne Handy, ohne Auto, dafür mit viel Zeit für die Familie, für Gott und mit sehr gutem Essen, bedeutet.

Trotz all der Unterschiede melden die Schülerinnen und Schüler auf die Frage, was sie besonders interessant fanden, vielfach zurück: „Dass wir gar nicht so verschieden sind; dass Jüdinnen und Juden alles genauso machen wie wir – nur eben alles eine Prise jüdisch“ – wie es Eleonora immer wieder formuliert hat.

Mehrfach kommt von Schülerseite die Frage nach Erfahrungen mit Antisemitismus. Elisabeth erzählt, dass sie selbst wenig betroffen davon ist, dass sie aber viele vor allem sehr junge Jüdinnen und Juden kennt, die massiv mit Antisemitismus zu kämpfen haben. Sie erzählt, wie sich dieser in Form von verbaler und körperlicher Gewalt äußert und teilweise die Betroffenen zu einem Schulwechsel zwingt. In den letzten Jahren sei eine Zunahme von Antisemitismus zu beobachten.

Elisabeth appelliert daher an die Schülerinnen und Schüler, mit Offenheit durch die Welt zu gehen und sich aktiv zu bemühen, das Judentum weiter kennenzulernen: vielleicht einmal in eine Synagoge gehen, mutig weiter Fragen stellen, aufeinander zugehen, …

Eleonora schließt das Gespräch damit ab, was sie sich wünschen würde: „dass es Meet a Jew gar nicht bräuchte; dass es weniger Vorurteile und mehr Begegnung im Alltag gäbe; dass das Judentum als selbstverständlich zu Deutschland gehörend angesehen werden würde; …“

Insofern bei einer Umfrage alle Schülerinnen und Schüler der zwei neunten Klassen angegeben haben, vor der digitalen Begegnung noch nie Kontakt zu einer Person jüdischen Glaubens gehabt zu haben, braucht es das Projekt wohl doch. So würdigt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Projekt: „Es ist eine Idee, die mich überzeugt. Eine ebenso schöne wie einfache Weise, dem eigenen Glauben ein Gesicht zu geben, auf Andersgläubige zuzugehen, miteinander ins Gespräch zu kommen, Gemeinsames zu entdecken. Aufeinander zugehen – ich glaube, viele in unserem Land, Juden und Nichtjuden, haben diesen Wunsch!“

Wenngleich die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler eine persönliche Begegnung noch besser gefunden hätte, stimmten sie doch entschieden zu, dass eine Online-Begegnung eine gute Alternative sei, wenn eine persönliche Begegnung organisatorisch nicht möglich ist und meldeten zurück, dass sie „sehr interessante Einblicke in das Judentum“ erhalten hätten.

Franziska Mößner

Vor der Viechtacher Stadtpfarrkirche gibt es eine Erinnerung an die JĂĽdin und NS-Opfer Sofie Schwarz: