„Faust“-Aufführung an Gymnasium und Realschule

Nicht nur vielen Schülern mag Goethes „Faust“ als Lektüre schwer erscheinen – wie leicht und spritzig er aber serviert werden kann, erlebten die 10.und 11.Klassen des Gymnasiums zusammen mit zwei Realschulklassen am Freitag in der Aula des Schulzentrums.

Auch mancher Kenner und Goethe-Liebhaber wird sich gefragt haben, wie es gelingen soll, Goethes monumentales Drama, das getrost als ein Höhepunkt deutscher Theaterliteratur gelten kann und buchstäblich durch Himmel und Hölle führt, auf einer kleinen Vorbühne zu inszenieren und dabei auch noch 200 Schüler über eineinhalb Stunden zu fesseln. Zwei Profi-Schauspielern aus Brixen, Georg Kaser und Peter Schorn, gelang das Kunststück: Mit unglaublicher Wandlungsfähigkeit und toller Schauspielkunst, mit dem Einsatz wirkungsvoller Tricks aus der Theaterkiste führten sie die Schüler durch den Prolog im Himmel in die berühmte Studierzimmerszene, zum Osterspaziergang vor das Tor und in Gretchens Stube, durch das ganze Drama der Faust-und Gretchen-Tragödie bis hin zur Kerkerszene mit Gretchens Wahn und Verzweiflung: „Heinrich, mir graut’s vor dir!“

Entwickelt hat das Projekt zusammen mit den beiden erfahrenen Mimen der Dramaturg und Intendant Marc Günther: Aus Leseszenen entstand durch intensives Probieren, Kürzen und Pointieren die vor den Schülern gezeigte begeisternde Fassung, in der zwei Männer mit sparsamsten Mitteln und Requisiten in die vielfältigen Rollen der Personen schlüpfen, die Goethe im „Faust I“ vorführt: Der Straßenanzug Fausts über den Kopf gezogen: Schon ist Peter Schorn die Hexe aus der Walpurgisnacht. Den übergroßen Strickpulli schamhaft über die Knie gezogen, ein geblümtes Stirnband und ein Blümchen vor der Brust: Schon ist Georg Kaser das unschuldige und anrührende Gretchen: In Sekundenschnelle verwandelten die beiden Schauspieler Szene, Tonfall und Atmosphäre, mit Bass und Kopfstimme, mit Temperament und Zartheit, auch mit Slapstick-Klamauk und sogar Taschenzauberei zogen sie die Schüler in ihren Bann. Für die zarte erste Gretchen-Szene und das Weingelage im Auerbachkeller konnten sie sogar eine Schülerin und eine Lehrerin unter den Zuschauern anheuern.

Beide sind freie Schauspieler mit unterschiedlichen Engagements etwa in Berlin und Meran, die sich für das Faust-Projekt zusammengetan und das Stück diese Woche in Theatern in München und Ortenburg aufgeführt haben. Die Arbeit vor den Viechtacher Schülern hat ihnen Spaß gemacht. „Natürlich kann man nicht auch noch den Letzten in der letzten Reihe auf Dauer in seinen Bann ziehen, aber die Beteiligung und Aufmerksamkeit der Viechtacher Schüler war prima!“, freuen sich die beiden sympathischen Künstler gegenüber Studiendirektor Franz Würzner, dem Organisator der Veranstaltung.

Mit ihrer temperamentvollen Inszenierung von Goethes hohem Meisterwerk dürften sie den Schülern ein Theatererlebnis bereitet haben, das die jungen Leute nicht so schnell vergessen werden und ihnen die Tür zu Goethes Meisterwerk einen Spalt öffnen konnte.

(Franz Würzner)