Manchmal reicht der Blick in die Geschichtsbücher nicht aus, um historische Entwicklungen zu verstehen. Zum Beispiel ist es heute für viele nicht mehr nachvollziehbar, wie es den Nationalsozialisten gelang, ihre Macht Stück für Stück auszubauen. Beim Besuch des NS-Dokumentationszentrums in Nürnberg näherten sich die Schüler der neunten Klassen des Dominicus-von-Linprun-Gymnasiums am Donnerstag diesem schwierigen Kapitel deutscher Geschichte. Obwohl nicht alle das ideale Schuhwerk für einen Rundgang über das verschneite ehemalige Reichsparteitagsgelände trugen, zeigten die Jugendlichen großes Interesse dafür, was sich auf dem riesigen Areal von insgesamt elf Quadratkilometern früher abgespielt hat. In den Jahren 1933 bis 1938 versammelten sich hier jedes Jahr rund eine Million Menschen, um eine Woche lang die NSDAP und das nationalsozialistische System zu feiern. Die Reichsparteitage waren ein gigantisches Spektakel aus Paraden, Vorführungen und Sportwettbewerben wie etwa Handgranatenweitwurf, die die Massen begeistern und gleichzeitig auf den Krieg vorbereiten sollten. Durch die Zeitzeugenberichten, die in der Ausstellung Dokumentationszentrum aufbereitet sind, wird auch für heutige Jugendliche nachvollziehbar, welche Sogwirkung diese Großveranstaltungen auf die Bevölkerung hatten. Auch die Architektur der mächtigen Gebäude auf dem Areal verdeutlichen den Machtanspruch und gleichzeitig den Größenwahn im Dritten Reich. Die als Versammlungsort geplante Kongresshalle wurde dem Kolosseum in Rom nachempfunden, sollte dieses an Größe jedoch noch übertreffen. Das „Deutsche Stadion“ war als größte Sportstätte der Welt geplant, über den Aushub der Baugrube kam man aber nicht hinaus. Auch die meisten anderen Bauwerke konnten nicht fertiggestellt werden, da finanzielle Mittel und Arbeitskräfte mehr und mehr für die Rüstungsindustrie gebraucht wurden. Nach Kriegsende wurden zwar einige Gebäude abgerissen, für den Rückbau der monumentalen Bauten fehlte jedoch das Geld. Das Gelände wird heute nicht nur als Lernort, sondern auch pragmatisch genutzt: die Flächen dienen als Lagerflächen oder werden bei Großveranstaltungen zu Parkplätzen umfunktioniert. Und beim Festival „Rock im Park“ wird an der historischen Stätte sogar wieder unbeschwert gefeiert. In der Kombination aus Führung im Freigelände und dem Besuch der informativen Ausstellung im Dokumentationszentrum erhielten die Neuntklässler einen umfassenden Einblick in die Zeit des Dritten Reiches.