Wenn Goethe mit dem Lichtschwert kämpft, Schiller lernt Kettcar zu fahren, und vermeintlich angestaubte Balladen zum Leben erwachen, dann steckt dahinter eine Theatergruppe mit viel Kreativität, großer Spielfreude und ansteckender Begeisterung.

Was die Unterstufengruppe am Donnerstag auf die Bühne gezaubert hat, war eine Hommage an die Literatur, eingebettet in eine vor Ideen nur so sprühende Rahmenhandlung aus der Feder der Schüler. Obwohl sie zunächst dem Ur-Ei der Dichtung, der Ballade, mit Motorsäge und Presslufthammer zu Leibe rücken, haben sie auch mit noch so pfiffigen Ideen keinen Erfolg beim Öffnen. Ebenso wenig erfolgreich sind die verzweifelten Lehrer, die versuchen ihren Schülern den „Zauberlehrling“ von Goethe (nein, nicht Mozart!) einzutrichtern. Gekonnt schauspielern sich die Schüler durch einige Schul-Szenen und sparen nicht mit augenzwinkernden Darstellungen ihres Alltagsgeschäfts, etwa wenn sie Ausreden erfinden, um dem Gedichtvortrag zu entgehen oder der Lehrer ins Handy vertieft Prüfungsaufsicht führt. Wenn Mathilda Litzlbauer Georg Trakls „Traumwandler“ in einer wunderbaren Szene ihre Stimme leiht, und dabei von den in Bücher versunkenen Mitschülern akustisch unterstützt wird, zeigt sich, dass Schüler sehr wohl einen Zugang zu Literatur finden können. Um auf Nummer sicher zu gehen, greift dennoch Goethe selbst ins Geschehen ein. Max Wittmann schlüpft mühelos in die Rolle des großen Dichterfürsten, der gelassen auf die lyrik-genervten Schüler reagiert. Was folgt, ist ebenso schlüssig, wie eindrucksvoll umgesetzt: Conrad Ferdinand Meyers „Chor der Toten“ – in schaurigen Kostümen und chorisch inszeniert – bringt das ewige Nachwirken der bereits Verstorbenen zum Ausdruck: „Und was wir an gültigen Sätzen gefunden, dran bleibt aller irdische Wandel gebunden“. Diese Erkenntnis kommt im zweiten Teil der rund eineinhalbstündigen Aufführung auch den Schülern. Zunächst darf sich das Publikum noch an gelungenen Umsetzungen des Lieds „Fünf kleine Fische“ gemeinsam mit dem Unterstufenchor (Leitung Isolde Pollwein), sowie der szenischen Darstellung von „Die Weiber von Weinsberg“ (Gottfried August Bürger) freuen, doch dann ist es für die Jugendlichen erst mal genug mit Balladen. Um dem lästigen Erlernen von Goethes Zauberlehrling zu entkommen, verfolgen sie die scheinbar geniale Idee, den Dichter am Verfassen des Textes zu hindern. In einer turbulenten Zeitreise leben sie ihre Spiellust richtig aus: Da werden Kakerlaken zu Versuchskaninchen und ein sympathischer Wolperdinger hilft den Freunden dabei, mit Bobbycars gegen Zeit-Wände zu fahren. In der Vergangenheit brauen sie mithilfe der bösen Magierin (Lilli Weiß) einen persönlichkeitsverändernden Trank, und der tut seine Wirkung: Max Wittmann läuft zu Hochform auf, wenn er zunächst MC-Goethe kreiert, um sich dann in Golum zu verwandeln und schließlich an einem Lichtschwert Gefallen findet. Das gibt den Zeitreisenden Gelegenheit, die Geschichte umzuschreiben. Allerdings müssen sie bei ihrer Rückkehr erkennen, was sie zur Freude der bösen Magierin angerichtet haben: Neid, Missgunst und Hass haben sich auf der Welt und in ihrer Klasse breit gemacht. Ob die ausgelöschte Literatur etwas damit zu tun hat? Kurzentschlossen reisen sie noch einmal zurück nach Weimar, um Schiller (Philip Wilhelm) dazu zu bringen, seinem Freund den „Zauberlehrling“ in die Feder zu diktieren. Johann Wolfgang quittiert erfreut: „Das ist gut, das könnte von mir sein“. Zurück in der Zukunft kommt er dann zum Finale doch noch auf die Bühne: der Zauberlehrling. In transparenten Stoffbahnen ergießen sich die Schwälle, und die über 30 Mitwirkenden geben auch körperlich nochmal alles.

Um Schülern, Eltern und sogar den anwesenden Mathematiklehrern so viel Freude an Lyrik zu vermitteln, braucht es schon ein besonders Gespür, und das hat Corinna Schürzinger als Leiterin der Gruppe erneut unter Beweis gestellt. Zum Dank überreichten die Schüler ihr einen großen Geschenkkorb – und die Frage: „Wann ist die nächste Probe?“ Es stellt sich jedoch auch die Frage nach einer weiteren Aufführung …

Bilder der Veranstaltung finden Sie bei den „Impressionen“ auf der Startseite unter den Berichten.

Bettina Wensauer