Architekt Eberhard Ritz als Zeitzeuge am Gymnasium in Viechtach

Anlässlich des Reformationsjubiläums erarbeiteten die evangelischen Schüler und Schülerinnen unter Leitung ihrer Religionslehrerin Sandra Weber eine kleine Ausstellung zur besonderen Geschichte evangelischer Christen in Niederbayern und insbesondere in Viechtach.
Den größten Wachstumsschub ihrer Geschichte erfuhr die kleine evangelische Gemeinde von Viechtach in den Jahren 1945 bis 1949. In dieser Zeit wuchs die Mitgliederzahl von 250 auf 3000 an! Die neuen Gemeindemitglieder kamen als Flüchtlinge und Vertriebene aus Schlesien und Ostpreußen. Nach Flucht und Vertreibung suchten und fanden sie eine neue Heimat im bayerischen Wald.
Einer von ihnen war der heute 87-jährige Architekt Eberhard Ritz, der mit 15 Jahren aus Schlesien nach Viechtach flüchtete. In einem lebendigen Vortrag ließ er für die Schüler die Geschichte lebendig werden.
Sie hörten von der Flucht im Januar 1945 mit nichts weiter als 2 Koffern, einem Rucksack und einem Fahrrad und von der Ankunft am Viechtacher Bahnhof am 5. März bei ca. 15 cm Schnee und frostigen -10°C. Nur eine Woche später wurde der 15-jährige in Viechtach gemustert und mit 11 weiteren Gleichaltrigen aus dem damaligen Landkreis Viechtach zum Reichsarbeitsdienst eingezogen.
Es wurden Panzersperren in Mengkofen errichtet und Schützengräben an der Donau bei Landau ausgehoben. Die Abteilung kam anschließend nach Winzer an der Donau. Mit Glück gelang ihm von dort die Flucht am 24. April 1945, 3 Tage später war er wieder in dem bereits von den Amerikanern besetzten Viechtach.
Besonders bewegt hat die Schülerinnen und Schüler als Herr Ritz erzählte, dass nur Minuten bevor er mit seiner Mutter in Schlesien aufbrach eine Postkarte ankam, die ihnen den neuen Aufenthaltsort seines Vaters mitteilte, der als Soldat in ein Lazarett verlegt worden war. Wie durch ein Wunder kamen gegenseitig immer wieder Postkarten und Briefe gerade noch rechtzeitig an, auch der Vater erreichte schließlich Viechtach.
Bis 1945 hatten die wenigen evangelischen Christen alle paar Wochen einen Gottesdienst im Rathaus gefeiert, zu dem der zuständige Pfarrer aus Zwiesel anreiste. Mit der steigenden Zahl der Gottesdienstbesucher durfte die evangelische Gemeinde in der katholischen St. Annakapelle ihre Gottesdienste feiern und bekam auch bald einen eigenen Pfarrer.
Der Wunsch nach einer eigenen Kirche wurde immer stärker und ging 1950 in Erfüllung als die vom lutherischen Weltbund gestiftete Christuskirche eingeweiht wurde. Wie sehr die Gemeinde sich dieses Gotteshaus wünschte zeigt auch die Tatsache, dass die Erdarbeiten dazu ausschließlich per Hand von den männlichen Gemeindemitgliedern ausgeführt wurden.
1958 – Herr Ritz war inzwischen als Architekt tätig – wurde die von ihm entworfene Gnadenkirche in Ruhmannsfelden eingeweiht. Auch die dritte Kirche im Gemeindegebiet – die Friedenskirche in Teisnach – wurde vom Architekten Ritz geplant und gebaut und 1964 eingeweiht.
Text: Sandra Weber
Text zum Bild:
Beginn der Arbeiten zum Bau der Christuskirche mit vielen fleißigen Helfern aus der Gemeinde.