Seit nunmehr drei Schuljahren besteht zwischen den Schülern der 9. Klassen des Dominicus-von-Linprun-Gymnasiums und ihren Altersgenossen des Collège/Lycée Saint-Louis in Orange ein Schüleraustausch.
Ziele des Austausches sind dabei nicht nur Kommunikation und gegenseitiges Kennenlernen zum Zweck der sprachlichen Verbesserung. Es geht auch darum, am Leben einer typischen französischen Familie und am Schulalltag teilzunehmen und die Kultur der ca. 30 000 Einwohner zählenden Kleinstadt und die der Provence zu erleben.
Etwas müde und aufgeregt – jedoch längst nicht mehr so wie beim Besuch der Südfranzosen in Viechtach vor einem Monat, als man seinem Austauschpartner zum ersten Mal gegenüberstand – begrüßten die Jugendlichen im Alter von 14 und 15 Jahren nach einer 14-stündigen Busfahrt etwas zaghaft die Gasteltern. Die Austauschpartner begrüßten sich teilw eise mit den in der Region üblichen „trois bises“, also den drei Küsschen auf die Wange. Schüchtern wirkten die Viechtacher Schülerinnen und Schüler aber nur anfänglich, denn die folgenden beiden freien Tage mit dem 8.Mai, dem „jour férié“ anlässlich der Ankündigung der „capitulation de l’Allemagne“ von 1945, trugen zur Entspannung bei. Es wurden in den Familien Ausflüge nach Marseille, Avignon oder zum Mont Ventoux unternommen, Rad gefahren, geritten, eine Reptilienfarm besucht und vieles mehr. Bei allen Aktivitäten blies einem der typische Mistral mit seinen heftigen Böen um die Ohren. Dafür war der Himmel wolkenlos und strahlend. Am Dienstag fuhren alle gemeinsam zum Pont du Gard und nach Avignon. Gemeinsam? Leider nein. En neues EU – Gesetz verhindert den Transport der französischen Jugendlichen mit unserem deutschen Bus. Es geht dabei um den Verlust eines möglichen Geschäfts für französische Busunternehmen. Laut Hartl Touristik handelt es sich dabei jedoch nicht um eine französische Schikane, auch andere Länder verfahren so. Aus schulischer Sicht kann man hinsichtlich derartiger Gesetze nur den Kopf schütteln. Jedenfalls wurde der Ausflug mit zwei Bussen durchgeführt: nicht nur umwelttechnisch eine kleine Katastrophe! Spaß hatten aber alle Beteiligten bei der Führung am Pont du Gard und vor allem der Lauf über die oberste Etage mit den dicken Ablagerungen, die früher von Sklaven abgekratzt wurden um den Wasserlauf auf der 50 Kilometer langen Strecke nach Nîmes zu garantieren, beeindruckte sehr. „Der geringe Höhenunterschied von nur 17 Metern stellte die Ingenieure im Jahre 19 vor Christus vor eine fast unlösbare Aufgabe“, erklärte unsere seit mehr als 20 Jahren in Frankreich lebende, deutsche Führerin. Die Rundbogenkonstruktion ermöglichte dabei den Flusslauf über den Gardon zu überbrücken. Das Weltkulturerbe von Avignons Altstadt und dem Palais des Papes – Residenz verschiedenster Päpste und Gegenpäpste – war ein weiterer Höhepunkt des Ausflugtages. Und natürlich durfte der Besuch des Pont St. Bénézet, die Brücke des weltberühmten Kinderliedes „Sur le pont d’Avignon“ nicht fehlen.
Ein zweiter Ausflugstag führte die Viechtacher Schüler nach Aigues Mortes und nach Saintes-Marie-de-la-Mer. Aber wie bereits im letzten Jahr wurden wir am Strand durch heftige Regenfälle und Windböen schnell vertrieben.
Schließlich durften wir den Mittwochvormittag an der Austauschschule verbringen. Zu Beginn wurden wir von der Leiterin des Collège herzlich begrüßt und wir überreichten unsere Gastgeschenke, unter anderem ein Bild mit dem Heiligen Louis und unserem Dominicus von Linprun, gezeichnet von Sophia und Julia Rabenbauer (Q 11 und 8c). Frau Quidou, die bereits im letzten Jahr für den reibungslosen Ablauf des Aufenthalts sorgte, hatte Listen mit den Lehrkräften vorbereitet, deren Unterricht wir besuchen konnten. Laut Hannah Eckl ist der Unterricht „strenger und autoritärer als in Viechtach“. Darüber hinaus befinden sich alle Schüler in den Pausen im Freien und der Stundenplan weist mehr Freistunden auf. Allerdings haben die französischen Schüler an vier Nachmittagen bis um fünf Uhr Unterricht. Im Anschluss müssen dann oft noch Hausaufgaben gemacht werden. „Viele Schüler spielen ein Musikinstrument und sind weniger sportlich“ fiel Hannah auf. Fußball ist weniger ein Thema, dafür steht Rugby hoch im Kurs.
Und sprachlich, war es ein Gewinn? Sicher. Denn statt eines „Ja“ rutschte Vielen automatisch das „Oui“ heraus. „Man denkt in der französischen Sprache“ meint Hannah. Und bei ihren Mountainbike-Touren zurück im Bayerischen Wald kommen ihr jetzt viele französische Sätze in den Sinn. Und die französischen Partner? Profitierten sie in sprachlicher Hinsicht ebenso? Durchaus. Robin, der jedes unbekannte Wort in seinem Tablet abspeicherte, strahlte: „Wampe, das ist der dicke Bauch und Rücken heißt auch Kreuz oder deppert verwendet man im Bayerischen, wenn jemand ein wenig verrückt ist.“
Was die alten „Clichés“, die man von Werbespots und Überlieferungen her kennt, betrifft, so stellten viele Schüler fest, dass sie gar nicht mehr gelten. Croissant, Crêpe, Baguette und Wein, das war einmal. Mittlerweile gibt es Müsli, Nutella und unterschiedliche Brotsorten. Und unser Weißbier, das wir unseren französischen Betreuern als Geschenk mitbrachten, wurde sehr geschätzt.
Den Mittwochabend verbrachten die 23 Schüler mit ihren Austauschpartnern und Gasteltern bei einem Abendessen in einer Guinguette, einem Biergarten ähnlichen Lokal im Freien. Beim Gespräch lobten die französischen Eltern sowohl das Verhalten als auch das Auftreten unserer Schüler. Nicht nur eine Mutter meinte, dass sie jederzeit wieder Schüler unserer Schule aufnehmen würde.
Schließlich galt es Abschied zu nehmen. „I kann nimmer hinschaun, sonst bleib i glei do“ meinte Lena, die am liebsten den Koffer wieder aus dem Bus genommen hätte. Und auch anderen war es anzusehen, dass sie gerne noch einige Tage mit ihren Partnern in Orange verbracht hätten. „Au revoir et à bientôt“. Vielleicht kommt auch außerhalb des von den Lehrern Frau Kamm und Frau Schmerbeck organisierten Austauschs ein Treffen zwischen den Partnern zustande. Ganz im Sinne des „Traité de l’Elysée“ von 1963, der nach Jahrhunderte langer Feindschaft zwischen den beiden Ländern zu friedlichen und freundschaftlichen Beziehungen vor allem zwischen den deutschen und französischen Jugendlichen aufrief.